Brev från Marianne Schweitzer till Gerd Zenker den 7 juli 1967

7. 7. 67.

Mein lieber Gerd!

Anfangen will ich diesen Brief wenigstens, es wäre auch recht gut, wenn er noch fertig würde und zur Post käme, da käme er noch pünktlich, aber ich fürchte es wird anders kommen. Ich soll nämlich nach Stolpen abgeholt werden. Dort machte ich für einen Tierarzt im Frühjahre einen Umänderungsplan für seinen Garten. Die Ausführung ist jetzt beendet, und die guten Leute sind so begeistert, dass sie gestern angerufen haben und meinten, ich müsse mir das unbedingt ansehen. Nun freue ich mich auf die netten Leute und auf die Autofahrt. Wie oft bin ich diese Strasse mit Otto gefahren. - Gut habe ich es gehabt!

Nun aber erst zum Wichtigsten. Von ganzem Herzen gratuliere ich Dir zu Deinem 58! Bleib gesund, zufrieden, fröhlich - und vor allem: Gott behüte Dich.

Ich merke, dass ich alt bin, ich fange an, zurück zu denken. Da sehe ich Dich im Geiste mit Deiner roten Pilzmütze herumlaufen, da sahest Du wonnig aus. Aber: lang lang ist's her, und doch bist Du noch ein recht hübscher Kerl. Dein Bild auf welchem Du schreibend oder rechnend sitzt steht vor mir im Schreibschrank, eingerahmt von Vater u. Mutter. Hättet Ihr nicht einmal eines von Euch allen Fünfen - nein nun ja Sechsen mit Birr. So könnte ich wenigstens im Bild mit Euch allen vertraut sein und plaudern. Seit Ottos Tod ist die Sehnsucht nach einem Zusammensein mit Euch riesengross, nach einem Zusammensein mit Menschen die einem ganz nahe stehen, wie ausser dem eigenen Gefährten, es nur Eltern und Geschwister sein können. Aber das wird wohl bis an mein Lebensende ein unerfüllter Wunsch bleiben müssen.

Mutti schickte mir eine Karte von Stefan mit aus Tahiti, erstens des reizenden Textes wegen, zweitens der phantastischen Marken wegen. Letztere für mein[e] Doktorkinder - mein tägliches Brot. Ich bin so unsagbar dankbar für die Freundschaft zu meinen Doktorsleuten. Sie sind zwar viel jünger als ich, (er 52, sie 49 J. alt) aber sie akzeptieren mich mehr und mehr als Familientante. Eben vorhin kam Doris (12 J.) angesprungen und fragte, ob ich mit ihnen nach Gohrisch zum Baden fahren wollte, was leider nicht möglich war wegen Stolpen. Klaus der 11jährige ist zu jeder Tages- und Nachtzeit hier, Hans-Jürgen 25 J. u. Rotraud 23½ J. werden auch langsam recht vertraut. - Auch sonst habe ich hier in Zschachwitz recht nette Leute gefunden. Hier wohnt noch viel "altes Dresden", Künstler, Wissenschaftler.

Sag' mal kanntest Du Prof. Pauer's? Er war Maschinenbau an der T. U. Dort war ich gestern eingeladen. Wir hatten ihnen vor Jahren einen Garten gemacht und es wurde ein sehr herrlicher Verkehr daraus. Prof. Pauer hatte zur gleichen Zeit als Otto den Herzinfarkt hatte also 1963, einen Schlaganfall. Seit damals hat er sich nie wieder erholt. Es ist erschütternd diesen vorfall eines so geistig hochstehenden Menschen mitzuerleben. Der Geist ist noch einigermassen klar, der Körper verfällt bei gesundem Herzen u. Lunge. Wie dankbar bin ich, dass Otto das nicht erleben musste. Er fühlte sich in seinen letzten 3 Lebenstagen so gesundet, war so tatendurstig und froh. - Frau Pauer ist eine ganz prachtvolle Frau, die voll Aufopferung und Liebe die schwere Pflege nun schon 4 Jahre lang auf sich nahm, und doch sagte sie so traurig: "Ich habe so Angst (hier kam man mich holen), dass einmal in der Erinnerung diese Jahre lebendig sind und all die unsagbahr reichen Jahre nicht mehr heraufkommen, das ich meinen Mann in der Erinnerung nie mehr wiederfinden werde." Aber das ist nicht so, alles Düstere verschwindet und es lebt alles gemeinsam Erlebte und Erkämpfte strahlend in uns fort. Dafür bin ich so dankbar.

In Stolpen war es schön. Ich wurde mit Erdbeeren u. Schlagsahne verwöhnt und so herzlich aufgenommen und um meine Freundschaft gebeten. Auch hier geht ein Same auf, den Otto einst streute.

Nun leb wohl. Grüsse Märta recht sehr und die Söhne soweit möglich. Dir alles denkbare Liebe.

Deine Nanna.

Hübsch ist, das Sibylle oft bei mir ist. Sie ist erstaunlich munter bei leider ganz langsam fortschreitender Verschlechterung. Immer wieder meckert eine neue Drüse.

Hertha ist jetzt fast jede Woche 2x bei mir. Ihre eine Dienststelle ist nahe. Das ist sehr hübsch, bloss mein Geldbeutel nimmt übel, aber es findet sich immer wieder eine Hilfe. Heute in Stolpen bekam ich z. B. 2 Erdbeeren u. 2 Salat mit, fein!

Ich will am 11. 9. zu Nessi und gegen 5. 10. zu Cläre.

Ansvarig utgivare: Stefan Zenker, www.zenker.se

 
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