Brev från Hertha Zenker till Märta den 28-29 september 1953

Dresden, den 28. 9. 53

Liebe Märta,

Heute kam Dein Brief, vor einigen Tagen traf Dein Paket ein, und das Paket zum 40. war auch pünktlich zur Stelle. Also habe ich dreifach zu danken! Wie wichtig für uns die Pakete für uns noch immer sind, das könnt Ihr ja nicht ahnen, es ist immer ein besonderer Festtag. Schließlich sind und bleiben wir hier arme Schlucker. Heute geht wieder ein Päckchen an Dich ab, ich würde Dir gern mehr schicken. Aber da ist ja immer das Porto, und man kann ja nur so wenig zusammenpacken, aber wenig hilft auch viel. Außerdem muß man meistens 2x zur Post laufen weil dies oder jenes nicht stimmt. Heute ist Erna zur Post gegangen, denn ich kann ja nicht.

Noch besonders herzlichen Dank für Deinen Brief, bei den italienischen Beschreibungen stieg so manches verklungene Bild in mir auf, und überhaupt nach dem Lande - wo. Es ist und bleibt meine Sehnsucht Italien wiedersehen, allerdings auch nicht nur für eine kurze Reise. Du hast recht, man muß auch die Familien, das Leben und Treiben dort kennen lernen. Aber der Gedanke an Reisen ist bei uns ein ganz absurder Gerdanke, das geht nur noch in die Sächs. Schweiz, oder mit dem FDGB nach Thüringen oder an die Ostsee. Mal sehen, was nächstes Jahr wird.

Am diesjährigen 1. Urlaubstag flog ich elegant aus der Haustür heraus, und ich brach mir dabei das Bein, rechts am Knie den Wadenbeinkopf. Und Du wirst ja Dir wohl denken können, daß alles was am Knie kaputt geht besonders unangenehm ist. Nun liege ich schon die 7. Woche im Bett, erst 5 Wochen in Gips, und nun habe ich einen Zinkleimverband. Es ist nur ein Glück dabei, daß ich nicht im Krankenhaus sein muß. Ich liege 1. Klasse zu Hause. Das geht aber nur weil Erna zu Hause ist, und dabei liegt ihr viel Arbeit.

Mutti schrieb, daß Gerd's Motorrad gestohlen worden ist. Das ist sehr schade, aber besser so als ein Motorradunfall, und Gerd hätte Schaden genommen. Ich sehe es nun selber wie es ist: 1. ist nun das Leben nur mit dem Krankengeld sehr knapp, und 2. weiß man auch nie wie weit die Folgen sein werden im Beruf usw. Daß ich manchmal verrückt werden könnte, kannst Du wohl glauben. Draußen ist seit Wochen das herrliche Wetter, heute ist z. B. über 20°. Bei Schnee und Eis darf ich dann wieder draußen herumstiefeln. Ich kriege immer mal Besuche, habe auch einiges gelesen, aber zu viel geht auch nicht. Manchmal entsteine ich Pflaumen für den Kuchen oder Kompott, es gibt dieses Jahr viel Obst. Nun ist es schon wieder soweit, daß wir das Geld und die Säcke für die Winterkartoffeln gegeben haben. Und es geht ein Jahr nach dem anderen in's Land, ohne daß wir uns mal wiedergesehen haben. Deine Söhne werden inzwischen Männer, und vielleicht hat nun Gerd interessante ergraute Schläfen! Bei mir dauert es nicht mehr lange bis ich weiß bin.

Den 29.9. Gestern gab sich ein Besuch nach dem anderen die Klinke in die Hand, so heißt das "im Volksmund". Erna hatte nur zu tun mit dem Aufmachen und Hereinführen. Es ist schön, wenn man aufgesucht wird, und ich höre dann so allerlei womit sich dann meine Gedanken beschäftigen können, besonders in den schlaflosen Nächten. Ich muß nur leise lächeln, wenn gesagt wird, ja nun endlich kannst du dich ausruhen. Es ist nämlich nicht so der Fall, dazu fehlt wohl die Luft usw. Aber ich schreibe da nur immer von mir, einmal wird's schon wieder gut werden. Die Geduld ist die Mutter der Weisheit!

Nachdem es gestern sommerlich warm war, ist es heute grau und kühl, vielleicht auch darum heute meine Stimmung! Halte die Daumen, daß zu unserer großen Wäsche, die bald steigen soll, noch gutes Wetter ist. Es ist dieses Mal so viel durch die viele Bettwäsche, und durch die vielen Untermieter können wir nicht so in die Waschbude hinein wie wir es brauchten. Wie macht Ihr es in Schweden mit der Wäsche? Hier kann man sie auch in die Waschanstalt geben, das geht aber ziemlich über die Wäsche her und ist auch teurer.

Du fragst nach Nanna! In der 1. Woche mit meinem Gipsbein war ich draußen, da wurde ich von ihr nett versorgt. Erna und Brigitte waren noch eine Woche in unserer Sommerfrische bei Bad Schandau. Ja, bei Schweitzers ist immer viel Betrieb. Otto ist meistens unterwegs. Dort draußen ist es ziemlich ländlich, der Hahn krähte, die Hühner gackerten, die Kaninchen rumpumpelten im Stall, das hört man alles ganz genau weil es ja nur ein Bretterhäuschen ist. Die Katzen sprangen über und in mein Bett, dadurch hatte ich viel Kurzweil. Vom Bett aus konnte ich in den blühenden Garten sehen. Aber trotzdem war ich froh dann wieder zu Hause zu sein - zu Hause ist eben zu Hause!

Hoffentlich ist bald bei Euch die Ansteckungsgefahr der Kinderlähmung vorbei. Ich verstehe aus vollsten Herzen Deine Ängste! Wir hatten hier auch Unruhe, aber scheinbar ist die Gefahr vorübergegangen. Man schaut in dieser Zeit seine gesunden Kinder mit sorgender Liebe an, aber es ist doch auch so, daß in großem Maße auch erwachsene Menschen davon befallen werden. Hier hörte ich von zwei schwangeren Frauen sogar.

Was macht denn mein lieber Bruder Gerd? Hat er viel Arbeit? Hat er auch manchmal Zeit für seine Familie? Ich glaube gern, daß er sich die schönen Italienerinnen genau besehen wollte! Übrigens sah ich bei meinem kurzen Aufenthalt damals in Schweden auch bildhübsche Schwedinnen!!

Mir ging es damals in Florenz so wie Euch an der Peterskirche. Ein Mönch (jung und schön) strich mir sanft über die bloßen Arme! Aber ich glaube, daß es dem lieben Gott gleichgültig sein wird ob man bedeckt oder unbedeckt zu ihm kommt. Die Hauptsache ist doch überhaupt, daß man kommt.

Sprechen Deine Söhne eigentlich deutsch? Wie redet Ihr allemiteinander zu Hause? Ich bewundere Deinen guten Briefstil! Da mußt Du bei mir ein Auge zudrücken. Nun will ich aufhören. Bald lasse ich wieder von mir hören. Aber ich hoffe, daß Du auch wieder mal schreibst.

Hab nochmals herzlichen Dank. Grüße meinen Bruder u. alle sehr.

Deine Hertha.

 

Ansvarig utgivare: Stefan Zenker, www.zenker.se

 
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Senast ändrat eller kontrollerat den 5 augusti 2014.