Brev från Renate Zenker den 9 januari 1949

An Frau Märta Zenker. Enskede bei Stockholm, Schweden, Cirkelvägen 19.

von Renate Zenker, Freital II /Sachsen, Pestalozzistr. 6, Deutschland, sowjetische Zone. (10a)

Freital, den 9. Januar 1949

Meine liebe Tante Märta!

Wie lieb ist es von Euch, daß Ihr uns ein so schönes Weinachtspaket geschickt habt - wir hatten gar nicht gewagt, darauf zu hoffen, weil Ihr ja noch keine Nachricht von uns haben konntet. Habt recht herzlichen Dank dafür! Ob Ihr nun inzwischen Briefe von uns habt? Hoffentlich hören wir bald auch mal was von Euch. Wie gerne sähe ich mir mal selbst an, wie Ihr wohnt, was Onkel Gerd macht, wie Dein Erik aussieht und wie die beiden Brüder gewachsen sind. Gehen sie eigentlich schon beide zur Schule?

In die Schule möchte ich jetzt doch nicht mehr zurück, obwohl ich erst große Sehnsucht danach hatte. Allerdings komme ich vielleicht über kurz oder lang als Lehrerin hin. Ich wollte doch gleich Neulehrerin werden, daraus wurde aber nichts, weil zur Zeit niemand angestellt wird. Da muß ich nun doch weiter versuchen, zum Studium zugelassen zu werden. Da gibt es jetzt bei uns an den Universitäten Pädagogische Fakultäten, an denen das Studium sogar frei ist, denn es werden Volksschullehrer gebraucht. In den Westzonen gibt es sogenannte Pädagogische Hochschulen, eine z. B. in Göttingen. Ich habe nun zunächst nach Berlin und Potsdam geschrieben, wann und ob ich aber angenommen werde, ist noch sehr unklar. An sich wollte ich Oberschul-Lehrerin werden, da das aber schwieriger ist und vor allem einiges Geld kostet, will ich erst mal Volksschullehrerin werden, vielleicht wird sowieso alles eins.

Jetzt bin ich zu Haus und helfe Suse, kaum gewinne ich Zeit zum Lernen für meinen Stenografieunterricht. Auch Maschineschreiben will ich lernen, wenn ich nicht plötzlich an irgendeiner Hochschule angenommen werde. Ich habe einsehen gelernt, wie nützlich diese Dinge sind. Eine Klassenkameradin von mir bemüht sich schon lange um eine Anstellung, beim Arbeitsamt erkundigt sie sich immer und hätte schon lange etwas gefunden, wenn sie Stenografie und Schreibmaschine schreiben könnte. Neulich hatten wir ein Klassentreffen, an dem alle von ihrer Arbeit erzählten. Da gibt es eigentlich keine, die schon das erreicht hätte, was sie sich vorgenommen hatte. Noch keine von uns studiert, es gibt mehrere Neulehrerinnen, zwei Krankenschwestern, eine Apothekengehilfin, eine in einer Molkerei, eine ist Photografenlehrling, mehrere im Büro. Und was für hochfliegende Pläne haben wir erst alle geschmiedet! Während der Schulzeit hatten wir unter uns angehende Ärztinnen, Pressefotografinnen, höhere Lehrerinnen, eine Schauspielerin, Architektin, Journalistin, Dolmetscherin und so weiter. In der Praxis sieht es nun freilich anders aus.

Denk mal, bei uns ist in diesem Winter noch gar kein Schnee gefallen. Wir sind ja ganz froh, daß es noch nicht unerträglich kalt ist, aber für die Natur ist das sicher nicht gut. Es ist auch gar kein Grundwasser da, so daß im Gebirge manche Dörfer gar kein Wasser haben. Wir spannen ja alle immer darauf, ob die neue Ernte gut werden wird, weil das ja leider so sehr wichtig für uns geworden ist. Der schrecklich trockene Sommer 47 war eine Katastrophe für unser Land.

Ich wünsche Dir und Euch allen ein schönes, gesundes Jahr 1949; grüß bitte Onkel Gerd recht herzlich von mir!

Deine Renate.

Ansvarig utgivare: Stefan Zenker, www.zenker.se

 
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