Brev från Renate Zenker den 7 november 1948

An Frau Märta Zenker
Cirkelvägen 19
Enskede / Schweden

Freital, den 7. November 48

Meine liebe Tante Märta!

Ich habe mir mal wieder überlegt, wie schön es doch war, als Ihr noch auf dem Dürerplatz wohntet, oder als Du bei uns warst, oder als Du mit den Kindern abends immer zu uns rauskamst. Weißt Du noch? Rolf brummte immer im tiefsten Baß Ankan gehn! Spricht er immer noch so tief? Ach, und als ich in Eurer schwedischen Gemeinschaft die Lucia war, und, und, und...

Und nun ist mir eingefallen, daß Ihr uns vielleicht für schrecklich undankbar oder sonstwie haltet, wir haben wirklich lange nicht geschrieben. Du kannst Dir vielleicht gar nicht denken, wie dankbar wir Euch für Eure Pakete sind, und wie sehr sie uns helfen. Einerseits sind wir sehr froh darüber und andererseits bedrückt es uns, daß wir nicht in der Lage sind, Euch auch irgend was Gutes anzutun. Unser langes Schweigen liegt zum Teil daran, daß immer furchtbar viel zu tun ist und immer mehr verlangt wird. Und dann wird eben die Pause immer größer und das Gewissen schlägt immer stärker, so daß man schließlich gar nicht mehr weiß, wo man anfangen soll.

Aber jetzt will ich einfach mal anfangen, zu erzählen. Im Juli habe ich nach unmenschlicher Schufterei das Abitur gemacht, und es ist mir mit der Hilfe meiner sehr netten Lehrer gelungen, eine 1 zu erringen. In unserer Schule bin ich damit die einzige, und ich bin natürlich sehr stolz darauf. Aber im Grunde weiß ich furchtbar wenig und habe von dem, was ich im Juli wußte, ungeheuer viel vergessen. Das hat uns allerdings unsere Lehrerin vorausgesagt, aber es ist leider auch nichts wieder in meinen armen Verstand zurückgekehrt von all den eingepackten Weisheiten.

Ich wollte nun Lehrerin werden und dazu Germanistik und moderne Sprachen studieren und bewarb mich in Berlin um Immatrikulation, wurde aber diesmal noch nicht angenommen. Auf diesen Bescheid hab ich erst mal lange warten müssen. Ich hatte bis in den Oktober gehofft angenommen zu werden. Nun muß ich es in einem Jahr wieder versuchen. Bis dahin will ich an eine Volksschule gehn und dort eine sogenannte "Neulehrerin" werden. Der Gegensatz dazu ist ein "Altlehrer", der schon vor 1945 Lehrer war. Man fängt nach kurzer Hospitantenzeit gleich an mit der Arbeit und lernt nebenher, es gibt also eine große Menge zu tun. Es ist aber nicht einfach, eine Anstellung zu bekommen, und ich bin noch nicht sicher, ob ich angenommen werde.

Weißt Du, was ganz herrlich wäre? Wenn ich Euch mal besuchen könnte und dabei Schwedisch lernen könnte. Man kommt sich so eingesperrt vor immer in dem kleinen Freital, ich möchte schrecklich gern mal raus. Von Euch weiß ich nur noch so wenig! Deinen Erik hab ich noch gar nicht gesehn. Wie geht es Euch denn? Es wäre sehr fein, wenn Ihr mal wieder schreiben würdet! Darauf freue ich mich!

An Euch alle zusammen herzliche Grüße von Deiner Renate.

Von Suse und Vater recht viele Grüße, sie sind beide gesund, aber überlastet.

Ansvarig utgivare: Stefan Zenker, www.zenker.se

 
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